instrumentelle Funktionsdiagnostik – Dr. Wolf-Dieter Seeher

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Gauting – Ende Januar zeigte Dr. Wolf-Dieter Seeher im Dental Education Center „wie man  Modelle so genau wie möglich in den Artikulator bringt.“ Der Kurs war Teil des Curriculums „Rekonstruktive Zahnmedizin, Ästhetik und Funktion“ des Zahnärztlichen Arbeitskreises Kempten.

„Nicht lauter alte Kamellen!“

„Instrumentelle Technik gibt es schon seit über hundert Jahren“, gab Seeher einen Rückblick über einige Erfindungen der instrumentellen Zeitgeschichte und ergänzte: „Nicht alles was alt ist, ist überholt. Die Gnathologie ist keineswegs out!“ Frühere gnathologische Erkenntnisse seien schon verloren gegangen und nicht weiter gegeben worden. Wichtigstes Ziel Heute wie Früher: „Wir wollen keine CMD-Probleme schaffen. Es geht darum CMD zu verhindern!“. Seehers Momentaufnahme: „Das Spektrum der funktionellen Therapie hat sich erweitert. Wir haben eine überbordende Diagnostik und wissen noch sehr wenig über die Therapie.“

Kritik: Instrumentalisierte Vermarktung

„Ich finde es eine Katastrophe was da heutzutage passiert“, kritisierte Seeher die Vermarktung funktionsdiagnostischer Apparate und warnte vor der Geschicklichkeit der Werbepsychologie: „Man muss aufpassen, dass man nicht darauf reinfällt!“ Ein teures Gerät zu kaufen, um seinen Patienten etwas Gutes zu tun, bezeichnete Seeher als „Mumpitz“. Vor allem dem Dentallabor die Funktionsdiagnostik zu überlassen und aus den zahnärztlichen Händen zu geben,  bewertete Seeher als untragbar.

Kondylengerechter Artikulator

Für eine möglichst genaue Simulation des menschlichen Kiefergelenks empfahl Seeher einen Arcon-Artikulator. Non-Arcon-Artikulatoren seien zwar preisgünstiger, die Bewegungsabläufe  allerdings umgekehrt zum natürlichen Ablauf: „Die Krümmung der Gelenkbahn ist auf den Kopf gestellt.“ Ein Arcon-Artikulator ermögliche dagegen eine kondylengerechte Einstellung am Scharniergelenk, die zu einer größtmöglichen Harmonie von Gelenkbahnneigung und Benettwinkel führt. Seehers Forderung: „Wenn ein Artikulator nicht justierbar sein sollte, schmeißen sie ihn weg!“

Das Zentrikregistrat

„Vom Prinzip kann es jeder machen“, beschrieb Seeher seine Methode ein Zentrikregistrat zu erstellen. Man müsse die Position fixieren, in der sich die Kondylen im Kiefergelenk in der bestmöglichen Position befänden. Gesucht werde die Wohlfühlposition für Kiefergelenk, Muskulatur und Wirbelsäule. Die Körperhaltung sei nicht zu unterschätzen: „Man sieht sofort den Einfluss des Bisses auf die Wirbelsäulenposition. Der ganz gute Zahnarzt denkt bis zu den Füßen!“ Deswegen sollte der Patient beim Registrieren auch auf dem Behandlungsstuhl die richtige Haltung haben: „So wie der Patient aufrecht steht, so setze ich ihn auch hin. Die Beine sollten nicht überschlagen sein. Der Blick sollte geradeaus gehen, da die Augenstellung die Haltung beeinflusst.“ Seeher demonstrierte sein Wachsplattenregistrat in Kombination mit Aluwachs und Dycal. Vorteil dieses sukzessiven Vorgehens: „Man kann sofort die Qualität des Registrats beurteilen.“ Seehers feinfühlige Registrationsweise: „Wichtig ist, dass man sagittal an den Patienten rangeht. Ich unterstütze nur die Rotationsbewegung. Dadurch bringe ich ein Minimum von Kräften nach außen ein.“ Ein leichtes Tippen mit dem Finger auf den Unterkiefer genüge. Wenn der Patient nicht zentrikfähig sei, müsse im Vorfeld eine Schienentherapie durchgeführt werden. Die Schiene könne dann durch Einschleifen sukzessive optimiert werden. Das Registrat als zentraler Punkt des Kurses konnte von den Teilnehmern im Anschluss mehrfach unter Aufsicht geübt werden.

Neigung und Führung

Für die korrekte Kondylenbahnneigung im Artikulator wurde das Protrusionsregistrat demonstriert und eingeübt. Ausgangspunkt war auch hier ein Wachsplattenregistrat in Zentrik, allerdings ohne Aluwachs. Ein Stopp in vier bis fünf Millimeter protrudierter Position konnte anschließend gesetzt und mit Dycal verifiziert werden. Das Gehäuse des Scharniergelenks wurde anhand des Protrusionsregistrats neu mit der Gelenkkugel justiert und gab damit die Kondylenbahnneigung des Patienten wieder. Die Führungsbewegungen des Kiefergelenks könnten generell nicht registriert werden. Das könne nur eine Gelenkbahnvermessung bewerkstelligen. Entsprechende Einsätze für das Scharniergelenk könnten dann die Bennettbewegung des Patienten simulieren: „Die Einsätze versinnbildlichen die Führung bei Laterotrusion.“

Der Modelltransfer

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Der Gesichtsbogen diene zur korrekten räumlichen Anordnung der Zähne im Bezug zum Kiefergelenk. Die Achse des Zentrikregistrats könne so richtig übertragen werden.


Das Fazit

Zur Positionierung der Bissgabel im Oberkiefer verwendet Seeher ein hartes A-Silikon. Der Gesichtsbogen sollte im Liegen angelegt werden, um Einflüsse der Schwerkraft auszuschließen. Durch den Biss auf die Gabel mittels Watterollen im Prämolarenbereich könne der Patient zusätzlich für eine lagestabile Registrierung sorgen. Das Gelenk an der Bissgabel sollte zuerst fixiert werden: „Sonst bringt man Verspannungen rein.“ Beim Einartikulieren müsse die Expansion des Gipses berücksichtigt werden. Hier empfiehlt Seeher eine zweizeitige Montage: „Die Expansion ist dann schon mal weg.“ Sind die Modelle patientengerecht montiert, dienten sie als zahntechnische Grundlage oder zur Modelanalyse zum Auffinden von Störkontakten.

Vor heroischen Behandlungen warnte Seeher. Hat der Patient keine Probleme, aber eine falsche Okklusion, sollte man prinzipiell lieber zurückhaltend sein: „Ich würde nicht von mir aus ohne Not einen Patienten umbauen.“ Ein allumfassender Kurs von einem erfahrenen Referenten, der Bewährtes vorstellt und über Sinn und Unsinn neuer Diagnostik- und Behandlungsmethoden aufklärt. Der Kurs ist für die Spezialisierung bei der European Dental Association (EDA) anerkannt

Autor: Johannes Löw