Funktionsdiagnostik und Therapie

Kurs: Funktionsdiagnostik und Therapie vom 18.02.2006

Das Aufspüren und Eliminieren von Funktionsstörungen – ein Buch mit sieben Siegeln? Wohl kaum! Wer einmal das bewährte Patentrezept von Professor Johann Müller aus München gesehen und gehört hat, weiß, wie systematisch dieses Problem lösbar ist. Die Angst vor der Funktion ist seiner Ansicht nach völlig ungerechtfertigt. Wichtig ist immer nur eine konsequente Diagnostik, auf die eine zielstrebige Therapie folgt. Mit der Anleitung des Spezialisten für rekonstruktive Zahnmedizin, Ästhetik und Funktion der EDA kann von der möglichst früh angesetzten Funktionsprophylaxe bis hin zu komplexen dysfunktionellen Geschehen alles bewältigt werden.

Zunächst schafft der Referent einen grundlegenden Überblick über die drei Kardinalsymptome der Funktionsstörungen. Diese treten bei Patienten auf, bei denen eine orofaciale Kompensation der Fehlfunktion nicht mehr möglich ist. Äthiopathogenetische Primärfaktoren sind hier hauptsächlich okklusal, gefolgt von psychischen, arthrogenen und echten psychogenen Faktoren. Diagnostisch geht es dann immer nur darum herauszufinden, welche dieser Ätiologien die aufgetretenen Symptome verursachen und ob diese überhaupt zahnmedizinisch therapierbar sind. Nach der spezifischen Anamnese findet nun ein initiales Patientengespräch statt, in der die aktuelle Phase der Konfliktverarbeitung sondiert wird. Dies ist wichtig, um den richtigen Behandlungsbeginn genau koordinieren zu können. Zunächst wird dann primär eine strukturierte Ausschlussdiagnostik durchgeführt. Hier wird der Schmerzursache auf den Grund gegangen. Diese kann vaskulärer, neurologischer, muskuloskelettaler und psychogenetischer Natur sein. Eine Differenzierung kann hier medikamentös, provokativ sowie durch Kältereizung und einen Widerstandstest erfolgen. So kann schon grob geklärt werden, ob überhaupt ein zahnmedizinisch lösbares Problem vorliegt oder ob neurologisch beziehungsweise psychotherapeutisch überwiesen werden sollte.

Um eine zahnmedizinische Dysfunktion genau eruieren zu können, werden der klinische Funktionsstatus und die manuelle Kiefergelenksuntersuchung anhand des bewährten EDA-Prüfbogens nach Professor Dr. Johann Müller dokumentiert. Nach gewissenhaftem, sukzessivem Vorgehen führt dieser Bogen automatisch zur richtigen Diagnose. So kann schließlich verifiziert werden, ob eine kompensierte beziehungsweise dekompensierte Myo- oder Arthropathie vorliegt. Dies geschieht immer in der Kombination mit bildgebenden Verfahren. Diese Vorgehensweise wird an einem Patienten demonstriert. Auch dentogene Ursachen oder Co-Faktoren dürfen nicht außer Acht gelassen werden. Um diese aufzudecken, muss eine Okklusionsanalyse vorgenommen werden. Dies geschieht durch die in Zentrik einartikulierten Modelle. Ein Absenken im Artikulator bis zum ersten Kontakt macht Frühkontakte lokalisierbar. Auch eine Bewertung des okklusalen Faktors wird so möglich. Aus diesem ergibt sich schließlich die okklusale Therapie durch Einschleifen, Kieferorthopädie oder Rekonstruktion. Vorher muss allerdings die zentrische Stellung des Kiefergelenks durch eine Schienentherapie stabilisiert werden. Eine Verlaufskontrolle an einem Patienten demonstriert diesen Vorgang. Zusätzlich kann auch immer medikamentös und physikalisch eingewirkt werden.

Anhand der Untersuchung von zahlreichen anatomischen Präparaten gibt der Referent Einblick in ein komplexes adaptierfähiges System: das Kiefergelenk. Anatomische Schnitte zeigen deutlich, dass eigentlich keine ideale Gelenkform existiert. Vielmehr zeigt sich das Gelenk sehr reaktiv. Durch pluripotente Zellen der bilaminären Zone kann der Diskus neu ausgeformt werden. Okklusopathien können so bis zu einem gewissen Grad ausgeglichen werden. Ist das System aber durch Disharmonien überlastet, ist seine Adaptionsfähigkeit ausgereizt und es kommt zu den oben genannten Beschwerden. Die „Redundanz“ des Systems macht sich der Funktionstherapeut zunutze. Schienentherapie und sukzessive Rekonstruktion führen zur Reorganisation im Kiefergelenk und damit zur Reharmonisierung des Kauorgans. Dabei wird auch die Artikulationskinetik nicht außer Acht gelassen, die durch Verwachsungen, Exostosen, hauptsächlich anteriore Diskusverlagerung und erhöhte Mobilität gestört sein kann. Professor Müller zeigt, wie man diesen Bewegungsablauf durch eine Guided Disk Regeneration (GDR) wieder normalisieren beziehungsweise irreversibel geschädigte Systeme bei starker Arthrose entlasten kann.

Der Kurs veranschaulicht eindrucksvoll, dass man Funktionsstörungen zielsicher und systematisch diagnosstizieren und therapieren kann. Er hilft, das komplexe System Kauorgan detailgenau zu verstehen. Schlüssel dafür ist das Wissen über Anatomie, Physiologie und Pathologie. Denn nur wer die Biologie versteht, kann diese steuern und somit erfolgreich therapieren.

Autor: Johannes Löw